Samstag, 27. Februar 2010

Trends im Pflegebereich - Pflege Management Forum 2010 als Standortbestimmung

Im Rahmen des Pflege Management Forum 2010 kam es zu einer spannenden Diskussion über zukünftige Entwicklungen im Pflegebereich. Die am 25. und 26. Februar 2010 im Wiener Marriott-Hotel durch Business Circle veranstaltete Konferenz brachte BildungsexpertInnen, PflegedirektorInnen, diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, VetreterInnen von Pflegeorganisationen und hochrangige Politiker wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer und die Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely zusammen.


Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Moderatorin Elfriede Gerdenits
(c)Foto: Karl Ebinger, 2010

In einem sehr offenen und persönlichen Gespräch wurde Sozialminister Hundstorfer mit der Frage der Pflegegeldeinstufung konfrontiert und mit dem kritischen Bericht des Rechnungshofes. Minister Hundstorfer anerkannte den Reformbedarf in dieser Frage, verwies jedoch darauf, dass für jene Pflegegeldbezieher, die durch die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) erfasst seien (ca. 78 Prozent der Gesamtbezieher), der Bearbeitungszeitraum bis zum Erhalt des Pflegegeldes im Rahmen sei. Er strebe generell eine Bearbeitungsfrist von 60 Tagen an.

Für etwa 15 Prozent der Pflegegeldbezieher, das entspricht ca. 63.000 Personen in ganz Österreich, seien derzeit die Zeiträume bis zur Einstufung problematisch. Er bemühe sich, einheitliche Qualitätsstandards und Richtlinien in der Pflegegeldeinstufung durchzusetzen, rechne aber auch in Zukunft mit regionalen Unterschieden, was die Umsetzung betrifft.

Geplante Maßnahmen im Pflegebereich

Auf die Frage, welche Maßnahmen rund um das Pflegegeld in nächster Zukunft geplant seien, antwortete Rudolf Hundstorfer, dass es derzeit österreichweit 420.000 Pflegegeldbezieher gäbe. Die jährliche Steigerungsrate würde ca. 4 Prozent betragen. Derzeit gäben der Bund 2 Milliarden EUR und die Länder ca. 800 Millionen EUR in diesem Bereich aus.

Das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) sei mit einer Studie beauftragt, die Entscheidungsgrundlagen für die weitere Entwicklung liefern soll. Mit einem Zeithorizont bis 2020/2030 sei herauszufinden, welchen Stellenwert in Hinkunft die stationäre Betreuung von zu pflegenden Personen haben werde und welche Rolle die mobilen Dienste spielen würden.

Der Sozialminister verwies auf eine derzeit laufende Telefonumfrage unter 1000 Personen. Die Fragestellung lautet: "Wie wollen Sie in Zukunft im Alter betreut werden?" Das veranlasste die Moderatorin, Elfriede Gerdenits, die Frage direkt an Herrn Hundstorfer weiterzugeben. Nach kurzer Bedenkzeit meinte er: "Ich kann mir eine stationäre Betreuung in Wien gut vorstellen."

Rollenverteilung bei der Pflegegeldeinstufung

Auf besonderes Interesse bei den Konferenzteilnehmern stieß die Frage, welche Aufgaben Ärzte und Pflegefachkräfte in Zukunft bei der Pflegegeldeinstufung zu übernehmen hätten. Minister Hundstorfer verwies auf ein Pilotprojekt, dass im Herbst 2010 starten soll. Dabei würde getestet, diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen in den Ablauf einzubeziehen.

Die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV), Ursula Frohner, wollte es nun genau wissen und fragte nach einer Präzisierung der Rollenverteilung. Sozialminister Hundstorfer meinte dazu, er könne sich vorstellen, dass in Zukunft die Grundeinstufung für das Pflegegeld durch die ÄrztInnen erfolgen würde und die Anträge auf Erhöhung durch das Pflegepersonal behandelt würden.

An ein elektrisiertes Publikum im Saal gerichtet, fügte der Sozialminster erläuternd hinzu: "Mehr daheb i net!" (Mehr sei - politisch betrachtet - nicht durchzusetzen) Schließlich erwähnte Rudolf Hundstorfer seine nicht unumstrittenen Pläne, mittelfristig den Sachleistungen im Bereich der Pflege den Vorzug zu geben.

Schwerpunkte der Konferenz

Inhaltliche Schwerpunkte des Pflege Management Forum 2010 waren: Künftige Rolle der Pflege im eigen- und mitverantwortlichen Bereich, Berufsbild der Pflege und Selbstverständnis, Wege zu einer integrierten Versorgung der PatientInnen.


Prof. Dr. Wolfgang Mazal zog Bilanz zu 12 Jahre GuKG
(c)Foto: Business Circle, 2010

Wolfgang Mazal vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien sprach über Chancen und Grenzen des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG). Ausgehend von einer historischen Rückblende auf das Berufsbild der Krankenschwester beleuchtete er den Weg zu einem zukünftigen Typ der diplomierten Fachkräfte, die vermehrt auch organisatorische Aufgaben übernehmen und im Bereich der Qualitätskontrolle einen wichtigen Beitrag leisten.

Er ging auf die Probleme ein, die eine neue Aufgabenverteilung in einem sich rasant verändernden Bereich der Pflege mit sich bringe und appellierte an alle Beteiligten, im Rahmen der Pflege zusammen zu arbeiten. Prof. Mazal ermunterte dazu, im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam zum Wohle der Patienten zu arbeiten: "Der Patient kann nicht in ärztliche und pflegerische Aspekte aufgespalten werden."

Runder Tisch mit Stadträtin Sonja Wehsely


Sonja Wehsely, Franz Allmer, Ursula Frohner
(c) Foto: Karl Ebinger, 2010

Die Wiener Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Sonja Wehsely, eröffnete die Diskussionsrunde mit der Frage nach der zukünftigen Rolle der diplomierten Pflegekräfte. Sie selbst sei gelernte Juristin und trete in einen offenen Dialog mit den PflegeexpertInnen und PraktikerInnen. Sie stellte ebenfalls die PatientInnen in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Die Frage lautet: "Wer, soll was, für die PatientInnen tun - im intramuralen und extramuralen Bereich?"

Der Präsident des Berufsverbandes der österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeberufe, Franz Allmer, sprach das Problem des "Kampfes um den Berufsnachwuchs" an, das durch die geburtenschwachen Jahrgänge weiter verschärft würde. Frau Wehsely meinte, sie sehe für Wien einen Schwerpunkt darin, ein Pflegenetzwerk aufzubauen mit dem Ziel, die Menschen möglichst lange zu Hause halten zu können.

Sie erwähnte in einem Nebensatz, dass im Jahr 2025 Wien die "jüngste Stadt" Österreichs sein würde - bezogen auf das Durchschnittsalter der Bewohner. Ihrer Ansicht nach sei die Pflegeausbildung "noch etwas zu krankenhauslastig" und die Anforderungen des mobilen Bereiches sollten besser berücksichtigt werden.

Auf die Frage nach den zukünftigen finanziellen Mitteln für den Pflegebereich nannte die Gesundheitsstadträtin einige Eckdaten. Im Jahr 2007 seien im österreichischen Durchschnitt pro Hundert PatientInnen 86 diplomierte Pflegekräfte im Einsatz gewesen. In Wien hätten im Vergleich dazu durchschnittlich 106 diplomierte Kräfte 100 PatientInnen betreut. Ein Drittel des Budgets der Stadt Wien würde in den sozialen Bereich fließen. Hier sei keine Erweiterung möglich, sondern man müsse sich überlegen, die bestehenden Mittel effizient und zielgerichtet einzusetzen.


Aufmerksame Konferenzteilnehmer
(c) Foto: Business Circle, 2010



Auditorium mit Diskussionsteilnehmer
Dr. Günter Dorfmeister, Wilhelminenspital

(c) Foto: Karl Ebinger, 2010


Überblick zu den Referenten des Pflege Management Forum 2010

Donnerstag, 4. Februar 2010

Georg Psota - Von der Schnittstelle zur Nahtstelle

Dr. Georg Psota, neuer Leiter des Psychosozialen Dienstes (PSD) in Wien, machte sich in einem Interview mit der Tageszeitung "Der Standard" Gedanken zum Übergang von stationärer zu ambulanter Behandlung: "Ich würde sagen, es geht darum, aus der Schnittstelle eine Nahtstelle zu machen. Schon kurz nachdem ein Patient stationär aufgenommen wurde, muss man darüber nachdenken, was sein wird, wenn er wieder entlassen wird."

Auf die Situation im Bereich der Psychiatrie in Wien angesprochen meinte er, sie sei sicher ausbaubar. Er ließ jedoch gleichzeitig mit einem konkreten Vorschlag aufhorchen: " Eine Variante ist, dass in der ersten Woche ein Mitarbeiter des PSD in eine psychiatrische Abteilung im Krankenhaus fährt, in der nächsten Woche findet der Gegenbesuch statt, und in der dritten Woche wird telefoniert."

Georg Psota ist Spezialist für Gerontopsychiatrie. Anläßlich seiner Vorstellung als neuer Chefarzt des PSD meinte er zu seinen Plänen: "Schwerpunkte meiner Arbeit werden neben vielen anderen die Qualitätssicherung und die Vernetzung mit Nahtstellenorganisationen sein." Darüberhinaus ist ihm die Verbesserung der Versorgung im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie ein Anliegen.